| Leben für die Wissenschaft - nicht für die FamilieDer Ehrgeiz in der Physik ließ Einstein nicht viel Zeit für seine
Familie. Im Alter räumte er selbst ein, dass er in dieser Beziehung
stellenweise versagt hat. An die Witwe des verstorbenen Freundes
Michele Besso schreibt er in seinem Todesjahr 1955:
"Was ich aber am meisten an ihm als Menschen bewunderte, ist der
Umstand, dass er es fertig gebracht hat, viele Jahre nicht nur im
Frieden, sondern sogar in dauernder Konsonanz mit einer Frau zu leben
- ein Unterfangen, in dem ich zweimal ziemlich schmählich gescheitert
bin."
1903 heiratet Einstein seine ehemalige Kommilitonin Mileva Mari´c.
Besonders glücklich muss die Ehe nur selten gewesen sein. 1915 zieht
Einstein ohne Frau und Kinder nach Berlin. "Das Leben ohne meine Frau
ist die reinste Wiedergeburt meiner Seele", schreibt er an einen
Freund. Ohnehin hätte er Mileva 1903 nur "aus Mitleid" geheiratet.
Schon vor der Ehe hatten Albert Einstein und Mileva Mari´c ein
gemeinsames Kind: Lieserl Einstein-Mari´c, geboren am 27. Januar 1902.
Viel ist über Einsteins Tochter nicht bekannt, öffentlich hat er wohl
nie über sie gesprochen. Es gibt Hinweise dafür, dass Einstein Mileva
gedrängt hat, Lieserl wegzugeben und bei einem Besuch der Eltern in
der Vojvodina (damals zu Österreich-Ungarn gehörig) zu lassen. Auch zu
seinen Söhnen hat Einstein nicht das beste Verhältnis. Sein ältester
Sohn Hans-Albert resümiert kurz vor dem eigenen Tod 1973:
"Das einzige Projekt, das er jemals aufgegeben hat, war wohl ich. Er
versuchte, mir Ratschläge zu geben, entdeckte aber bald, dass ich zu
störrisch war und dass er bloß seine Zeit vertat."
1919 lässt sich Einstein von Mileva scheiden und heiratet noch im
selben Jahr seine Cousine Elsa, mit der er schon mehrere Jahre eine
Beziehung hat. Auf Dauer zeigt sich, wie verschieden die
Lebensentwürfe der beiden sind. Elsa bevorzugt das bürgerliche
Stadtleben, Einstein genießt Einsamkeit und Ungebundenheit. Sein
Sommerhaus in Caputh bei Potsdam und sein Segelboot "Tümmler" auf dem
Schwielowsee ermöglichen ihm diese Fluchten. Abraham Pais, ein
späterer Mitarbeiter Einsteins, der mehrere lesenswerte Bücher über
diesen veröffentlicht hat
(s. "Lesetipps"), fasst
es so zusammen:
"Der Grund, weshalb Einsteins Familienbande so locker waren, liegt,
meine ich, auf der Hand. Dauerhafte und tief gehende menschliche
Bindungen zu schaffen verlangt eine Anstrengung, zu der Einstein
einfach nicht bereit war. Er widmete seine Kreativität stets und
ausschließlich der Wissenschaft, vielleicht zu seinem eigenen Schaden,
ganz sicher aber zum Schaden derer, die ihm nahe standen - oder
nahe stehen wollten."
Martin Dreifert
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